Ride & River / von La Paz nach Rurrenabaque - 21. bis 30. September 2015

(Video)

Endlich war es so weit. Wir freuten uns schon lange auf dieses "once in a lifetime" Abenteuer mit Gravity. Innerhalb von 6 Tagen sollte es per Mountainbike und Boot von den Anden bis in den Amazonas runter gehen. Dabei würden wir Orte sehen, wo sich kaum je ein Tourist hinverirrt, im Dschungel trekken, auf Strohbetten und in Zelten schlafen und uns in Flüssen waschen. Das Abenteuer begann allerdings viel früher, als wir erwartet hatten...

Wir fanden uns pünktlich um 06.40 Uhr im Gravity Workshop ein, wo wir von Moe, unserem Guide, empfangen und ausgerüstet wurden. Jeder kriegte einen Helm, Ellbogen- und Knieschutz, Handschuhe, Overall und Regen-Poncho. Alles sehr professionell und von guter Qualität. Wir lernten da auch gleich zwei weitere Teilnehmer kennen. Louise und Nick, ein aufgestelltes, junges Ehepaar aus Südafrika. Komplettiert wurde unsere temporäre Familie mit Alejandro (zweiter Guide), Mauricio (dem Fahrer), Franco (seinem Sohn) sowie fünf Neuseeländern, die wir noch am Flughafen abholen mussten. Unser Gefährt für die nächsten Tage stand auch schon bereit. Ein 4x4 Bus, der mehr wie ein Monster-Truck aussieht, weil ihn Mauricio extra für diese Tour umgebaut hat. Nachdem wir das Monstrum mit Bikes und Gepäck beladen hatten, sprang allerdings der Motor nicht an. Mauricio wollte unter dem Wagen nach dem Rechten sehen, als plötzlich Panik ausbrach. Sein Handschuh fing Feuer und aus dem Motor rauchte es. Zum Glück konnte Mauri den Handschuh gerade noch rechtzeitig abwerfen und wir opferten gedankenschnell all unser Trinkwasser, um den Brand zu löschen. Das war knapp! Glücklicherweise befindet sich der Tank hinten am Fahrzeug und war damit weit weg vom Brandherd. Es stellte sich heraus, dass die Deppen bei der Tankstelle nach dem Wahl-Wochenende wohl immer noch im Tiefschlaf waren und versehentlich Benzin statt Diesel getankt hatten. Also musste Mauri zuerst mal die Tanks leer kriegen. In der Zwischenzeit gingen wir mit Moe Kaffee trinken und nahmen dann die Seilbahn in das höher gelegene El Alto, wo uns Mauricio wieder abholen sollte. Er brachte den Wagen tatsächlich wieder zum laufen und lud uns unterwegs auf. Wir fuhren direkt zum Flughafen, um die wartenden Kiwis abzuholen. Nach einer etwa dreistündigen Fahrt erreichten wir den Startpunkt auf ca. 4'700 m für die erste Fahrradtour. Moe instruierte uns und wir gaben Pacha Mama, unseren Bikes und uns selbst einen Schluck Feuerwasser, um noch mehr Unglück von uns abzuwenden. Es ging gemächlich los; wir fuhren die meisten der rund 37 km auf asphaltierter Strasse. Erst am Schluss wurden noch ein paar Singletrails gefahren. Noch vor dem Eindunkeln erreichten wir das wunderschöne Sorata auf 2'721 m, wo wir eine tolle Unterkunft bezogen. Beim Abendessen lernten wir die Gruppe besser kennen. Die Kiwis haben uns am ersten Abend schon zu sich nach Neuseeland eingeladen. Ich glaube wirklich es gibt kein freundlicheres Volk auf diesem Planeten.

Am zweiten Tag mussten wir schon früh los. Mit dem Truck ging es eine spektakuläre Strasse hoch. Wir passierten surreale Landschaften, wo Lamas und wilde Pferde weideten und hatten eine phantastische Aussicht auf die über 6'000 Meter hohen, schneebedeckten Bergriesen. Die Strasse war zum Teil arg abschüssig und wir waren sehr froh, dass wir mit Mauricio einen erfahrenen Fahrer hatten. Auf 4'800 m sattelten wir wieder unsere Bikes und düsten rund 65 km und über 4'000 Höhenmeter den Berg runter. An diesem 2. Tag waren etliche Singletrails dabei, so dass wir voll auf unsere Kosten kamen. Je weiter runter wir kamen, desto mehr Sauerstoff strömte in unsere Lungen und es wurde erheblich wärmer. Hier gibt es viele Coca-Plantagen und Moe hat uns eine gezeigt und erklärt, wie wichtig diese Pflanze für die Kultur der Bolivianer ist. Er fügte an, dass wir Ärger bekommen würden, wenn uns der Coca-Bauer hier stehen sähe. Gerade noch rechtzeitig, bevor ich die Pflanzen bewässern konnte. "Jesus Sevi!!!" - war Moe's Kommentar dazu. Weil uns die heutige Unterkunft bereits im Vorfeld als "Shit-Hole" angepriesen wurde, beschlossen wir, uns in einem kleinen Fluss zu waschen. Was für eine Wohltat. Und genau die richtige Entscheidung. Das Hotel war nämlich wirklich alles andere als einladend. Die Strohbetten waren ziemlich unbequem und die Bilder der Toilette möchte man so schnell wie möglich wieder aus dem Gedächtnis eliminieren. Wir waren zum Glück hundemüde und nach einem leckeren Essen, welches die Guides für uns zubereitet hatten, und ein paar Bierchen sind wir trotzdem schnell eingeschlafen.

Traurig war niemand, als wir gleich am nächsten Morgen weiter zogen. Die Route des dritten Tages war eher flach und ein ständiges Auf und Ab. Die 55 km waren auf unseren schweren Downhill-Maschinen, bei brütender Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit nicht so leicht zu bewältigen. Immerhin konnten wir uns zwischendurch in einem Fluss abkühlen. Gegen Ende des Tages zogen dicke Wolken über uns auf und wir hatten just unser Ziel in Mapiri erreicht, als ein heftiges Gewitter einsetzte. Das war wirklich eine Punktlandung. Nun mussten wir von Alejandro, Mauricio, Franco, den Bikes und unserem lieb gewonnenen Monster-Truck Abschied nehmen. Hier war Endstation für unsere Fahrzeuge.

Am nächsten Tag ging es dann per Boot auf dem Rio Mapiri weiter. Nach drei Stunden machten wir Halt in Guanay. Hier organisierten wir unsere Camping-Ausrüstung und den Proviant für die nächsten Tage. Nach weiteren drei Stunden auf dem Fluss kamen wir dann in unserem ersten Camp an. Ein wirklich idyllischer Ort neben einem Fluss mit kristallklarem Wasser. Nachdem die Zelte aufgestellt waren, bestiegen wir den schwindelerregenden Aussichtspunkt über dem Camp und nahmen anschliessend ein erfrischendes Bad im Fluss. Der Abend am Lagerfeuer wurde dann sehr gemütlich. Wir haben Marshmallows gegrillt und rausgefunden, dass man in Gegenwart von Neuseeländern immer noch nicht mit dem Americas-Cup-Sieg der Alinghi prahlen sollte.

Am nächsten Morgen machten wir zuerst eine zweistündige Wanderung zu einem wunderschönen Wasserfall, wo wir schwimmen konnten. Danach ging es auf dem Fluss weiter. Wir machten Halt in kleinen verschlafenen Nestern. Im Verlauf des Nachmittages erreichten wir den Rio Beni und bald auch die Grenze zum Naturschutzgebiet Madidi. Bis hierhin war der Fluss gesäumt von Goldschürfern. Von grossen Abbauanlagen bis hin zu Ein-Mann-Betrieben mit primitivsten Werkzeugen, alle suchen hier nach dem grossen Glück. Wir schlugen unsere Zelte an einem weiten Sandstrand nahe des Flusses auf. Noch vor dem Abendessen zogen wir los auf eine nächtliche Dschungeltour. Leider konnten wir ausser ein paar Baumratten (die uns unser Guide dreist als Baby-Monkeys verkaufen wollte) keine Tiere sehen. Aber die Stimmung im dunklen Dschungel, mit den vielen Geräuschen war schon einmalig. Nach dem Abendessen sind die meisten schnell ins Zelt. So mussten Moe und ich alleine die Wein- und Bierreserven aufbrauchen. Es war ein gemütlicher Abend am Lagerfeuer. Allerdings habe ich erst am nächsten Tag gemerkt, dass mich die Sandflies total verstochen hatten. Es juckte mich noch tagelang am ganzen Körper.

Als wir am nächsten Morgen zu unserem nächsten Dschungel-Marsch aufbrachen, konnten wir wenige Meter von unserem Camp entfernt frische Jaguarspuren sehen. Wahrscheinlich hat uns das Kätzchen die längste Zeit beim Rotwein trinken beobachtet. Die Tiere sind schon da, können sich aber in dem riesigen Park gut vor uns verstecken. Denn auch auf dem Morgentrekk konnten wir leider keine Tiere sehen. Das Mittagessen haben wir dann auf dem Boot eingenommen. Am Nachmittag kamen wir an unserem Ziel in Rurrenabaque an. Das Dorf ist viel schöner, als wir es uns vorgestellt hatten. Wir haben im tollen Hostel Oriental ein günstiges Zimmer bezogen, uns erst mal eine Dusche gegönnt und uns in der Hängematte erholt. Im Verlauf des Nachmittages hat dann so ziemlich jeder mal über Bauchschmerzen und Durchfall geklagt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie die hygienischen Standards der letzten Tage waren. Kochen mit Wasser aus dem verdreckten Fluss, Abwasch mit dem selben Wasser und Zubereitung der Hühnchen auf dem Boot sind schon eine Herausforderung für unsere industrialisierten Verdauungstrakte. Der Spuck war dann zumindest bei Rapha und mir aber schnell wieder vorbei. Das Abschiedsessen konnten aber die wenigsten richtig geniessen.

Am Sonntag mussten wir uns von den Neuseeländern verabschieden. Wir hatten eine wirklich tolle Gruppe mit vielen lustigen Momenten und wir haben uns vorgenommen, unsere neuen Freunde im nächsten Jahr am anderen Ende der Erde zu besuchen. Louise und Nick, die beiden Südafrikaner, sind mit einer anderen Tour weiter in die Pampas gezogen. Wir hatten erst mal genug von Wildlife und beschlossen deshalb, einfach einige Tage im Ort zu bleiben und die warmen Temperaturen zu geniessen. Wir faulenzten nach belieben und rafften uns nur zum Baden und zum Essen auf. Das hat sehr gut getan. Vor allem schätzten wir die Wärme, nachdem wir uns die letzten Monate immer in höheren und damit kälteren Gefilden aufgehalten hatten. Am Dienstag-Abend kamen unsere südafrikanischen Freunde aus den Pampas zurück und wir verbrachten noch einmal einen geselligen Abend zusammen. Wir werden die beiden vermissen.

Der Rückflug nach La Paz dauerte zwar nur 40 Minuten, war für mich aber der reinste Horror. Die kleine Propellermaschine schaukelte ganz gewaltig und Rapha die Ärmste musste mich bei einigen Hyperventilations-Attacken beruhigen. Es ging zwar alles gut, aber ich werde mich ganz bestimmt nie wieder bei vollem Bewusstsein in so eine Klapperkiste setzen. Grosse Flugzeuge können die Strecke übrigens nicht fliegen, weil es von Rurre nach La Paz die ganze Zeit und viel zu steil nach oben geht. Wir sind also gut wieder in unserer WG angekommen und gönnten uns nach den Flugstrapazen ein leckeres Raclette bei Jean-Claude im Restaurant Swissfondue.

El Tocoloco

Umsatteln

Singletrail oberhalb von Sorata

Cordillera Real

Sieht nach Regen aus

Guardaval

Toblerone

In Vollmontur

Oxygen-Flash nach 3'000 m Downhill

Hells Angels Chapter La Paz

Possier-Tier

Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg

Wild Horses

Pisten-Rowdy

Professionell montierte Helmkamera

Dirtroad

Auf dem Fluss

Goldrush

Abendstimmung

Camp 1 am Fluss

auf der Suche nach einem geeigneten Campingplatz

Campen am Flussufer

Rio Beni

Rurrenabaque

Ruhn in Rurre
  
Peresosa
 
Raclette bei Jean-Claude im Swissfondue

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